Sunday, 21 June 2015

JAMES BATTY

Pam zog an der Decke und weckte ihren Mann: „Los, steh auf, Du kommst noch zu spät ins Büro.“ Sie öffnete den Schrank und nahm seinen beigefarbenen Anzug heraus. Den hängte sie über den Stuhl, und zehn Minuten später steckte ihr Mann schon in ihm drin. Mit der Aktentasche unter dem linken Arm nahm James rasch zwei Schlucke von seinem Kaffee. Dann gab er Pam einen kleinen Kuss, während sie ihm seine Krawatte gerade zog, gab Jenny einen kleinen Kuss und eilte davon. 

Der alte Galaxie schnurrte wie ein Luchs, als James Batty die Chester Lane hinunter fuhr. Nach anderthalb Meilen auf der 4th setzte er den Blinker und bog in die Madison ab. Hier fuhr er ein wenig langsamer und beobachtete im Rückspiegel, ob ihm nicht doch jemand folgte. Dann bog er in die Einfahrt der 22 ein und parkte in der Garage, die für ihn schon offen stand. 

Sorgsam zog James von innen das Garagentor zu. Er löste seine Krawatte und trat in die Küche. Da sprang gleich die kleine Sally auf und umarmte ihren Dad. „Hast Du gehört: Die Reds haben zum ersten Mal nach 1950 die World Series gewonnen!“. „1940, Sally“, korrigierte Lou sie und stellte James frisch gebratenen Speck auf den Tisch. Dabei sah sie nicht besonders fröhlich aus. „Mit Deinen Nachtschichten ist jetzt ein für allemal Schluss. Rede mit Deinem Boss, oder ich werde es tun!“


Thursday, 18 June 2015

FLORENCE CLAY

Florence Clay hatte soeben eine einschläfernde Schulstunde beendet, als Casper an ihre Seite kam und sie fragte, ob sie einen Augenblick Zeit für ihn hätte. Es sei wichtig. Misses Clay wollte wissen, worum es ging, und rechnete mit einer Antwort, die irgendwo zwischen Versetzung und Wiederholungstest lag. Aber Casper ließ sie warten, bis der letzte der anderen Schüler das Klassenzimmer verlassen hatte. Dann zückte er sein Handy und zeigte ihr ein Video, auf dem sie mit Ellen und Knien auf einer Matratze hockte, nackt, und ein Panorama freigab, für das manch anderer 18-Jähriger noch heimlich googlen musste. Misses Clay kannte das Video zwar nicht, wusste aber, worin seine besondere Explosionskraft lag.

Caspers Forderungen waren klarer formuliert als seine letzte Englischklausur: Zunächst einmal wollte er seine Noten in einer Weise nach oben korrigiert haben, die die Sprache einer kleinen Serie von Nachhilfestunden spricht. Das sei aber nur „Staffage“ (Casper!). Denn was er wirklich wollte, war das, wozu Mister Clay nach 16 Ehejahren kaum noch einen hoch bekam. Oder treffender ausgedrückt: weshalb Mister Clay sich auch noch zum langweiligsten Spätfilm ins Wohnzimmer flüchtete.

Da war jetzt so viel, worüber Misses Clay in kürzester Zeit nachzudenken hatte, während ihr dieser juristisch erwachsene Halb-Legastheniker, zwei Jahre älter als ihre älteste Tochter, sich zum Beweis seiner neuen Macht anschickte, mit beiden Händen ihren Hosenknopf durch das Loch zu drücken, um anschließend mit den Fingerkuppen hinter die Spitze ihres schwarzen Höschens zu fahren. Jetzt war da auf einmal so viel, was sie in alle erdenkbaren Richtungen zog.

Tuesday, 16 June 2015

LAINE LILLESTE

Laine fiel es nicht leicht einzuschlafen. Erst nachdem sie neben sich das Radio leise laufen ließ, gelang es ihr, hinweg zu gleiten. Aber tief schlief sie nicht. Als sie wieder erwachte, hatte sich die Nacht vollends das Land gegriffen und fast alles Licht verschluckt. Nur die Laterne leuchtete von draußen in ihr kleines Haus hinein und warf einen schwachen Schein um den Schopf des schaurig stillen Kindes, das nun wieder vor ihrem Bett auf dem Boden saß und samt und sonders im Schatten lag.

Laine konnte von ihrem Kissen aus durch das Fenster sehen, wie die dürren Birkenzweige schon vor dem Winter zitterten. Sie versuchte, sich auf die wehrlosen Blätter zu konzentrieren und folgte jedem, das der Wind herunterriss. Aber keines hielt es lange aus der Dunkelheit heraus.

Wenn die Blätter aus ihrer Sicht verschwunden waren, zwang sich Laine immer wieder, mit den Augen erneut an die Birken zu klammern. Aber sie ermüdete darin, und so wanderte ihr Blick unweigerlich zu dem Schopf des Mädchens zurück, das stets mit dem Rücken zu ihr erschien. Laine hätte mit der Hand nach seinen Strähnen fassen können, aber es gab keine Nacht mehr ohne Angst, und sie wollte das fremde Kind nicht fühlen.

Saturday, 13 June 2015

JEAN-PIERRE ADRIANJANAHARY


Jean-Pierre saß schon eine geschlagene halbe Stunde in seinem Wohnzimmer rum und wurde langsam ungeduldig, als endlich sein Telefon klingelte. „Number 7 Dark Over Light by Mark Rothko“, sagte die Dame auf der anderen Seite der Verbindung in einer Deutlichkeit, als säße sie auf seinem Schoß. „Yes“, antwortete Jean-Pierre. Er hatte noch hastig den Hörer in die linke Hand gewechselt. Mit der rechten musste er ja mitschreiben.

Dann ließ er die anderen erst mal machen. Seine Konkurrenten hielten sich noch in Bereichen auf, von denen er wusste, dass Sothebys den Rothko für das bisschen Geld lieber verbrennen würde, als ihn nach Madagaskar zu verschiffen. Er hielt es auch nicht für nötig, mit einem Testgebot seine Ansprechpartnerin zu fordern. Er konnte sie leise atmen hören, und das verlieh ihm eine gewisse Sorglosigkeit, die ihn sich auf die Zahlen konzentrieren ließ.

Bei 19 Millionen meldete er sich zum ersten Mal. Sofort gab sie die Erhöhung weiter. Bei 19,8 das gleiche. 20,1, 20,8, langsam wurde die Luft in London dünn. Die Gebote kamen langsamer, eine Stimme nach der anderen verstummte. Bei 21.010.000 Dollar eines arrogant klingenden Herrn brach das Gebiete abrupt ab. Jean-Pierre lauschte angestrengt, aber es war nichts mehr zu hören außer dem ruhigen Atmen der Dame. „Is it sold?“ – „No.“ Er zögerte. Dann plötzlich hörte er sie flüstern: „Say 21.0410.000, this wienie hasn’t more.“ Sofort wiederholte er die Zahl, und sie gab sie weiter. Dann legte sie einfach auf.

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wienie (engl.) = Schwänzchen, Pimmelchen
No.7 Dark over light by Mark Rothko ist 2007 bei Sothebys versteigert worden.

Wednesday, 10 June 2015

BOBBY CLARKE

Es war eine Primalandung, die Commander Bobby Clarke mit seiner "Commodore" auf Idaho gelungen ist. Das kleine Raumschiff setzte wie auf einem Muffin auf, Bobby konnte das gleich als erstes in seine persönlichen Beobachtungen eintragen. Ansonsten dürfte Idaho ein sehr harter Planet sein. Das verrieten die Sensoren nach einem kecken Jingle: Granit mit einer Mütze aus Moos, wie es auf der Erde keines gibt. Anscheinend war die Pflanzenschicht an dieser Stelle aber dann doch ein Stückchen dicker, der Computer stapelte gerne tief.

Im Falle der Untergrund-Beschaffenheit konnte Bobby das noch egal sein. Bedenken hatte er wegen der Zusammensetzung der Luft. Das, was er auf dem Bildschirm aufgelistet bekam, stimmte mit den Prozentzahlen auf der Erde genau überein. Ein Systemabsturz? Bobby schaute aus seinem Bullauge, so als könnte er den Sauerstoff mit bloßem Auge sehen.

Doch was er draußen tatsächlich sah, ließ ihn im Handumdrehen sämtliche Daten vergessen, und es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass Bobby die "Commodore" wegen der schmeichelnden Moosschicht barfuß verlassen hatte. Seine Spezialstiefel blieben zurück wie ein Autogramm von Mary Tyler Moore aus dem vorigen Jahrhundert, das Bobby immer überall hin, wirklich überall hin mitgenommen hatte. Das einzige, was Commander Jones 50 Jahre später der akribisch geführten Bestandsliste nach nicht mehr finden konnte, war eine von Bobbys Unterhosen – bevor er dann selbst fast nackt verschwand.

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Don't be shy and become a member of my blog. It's easy and costless and you will make me smile!

Sunday, 7 June 2015

DANNY FLETCHER

Man kann nicht sagen, dass sich an diesem Abend jemand ernsthaft für Danny Fletcher interessiert hätte. Vielleicht noch Floyd („Ich trinke Martini nur, wenn Ginger drin gebadet hat“), aber der winkte inzwischen öfters dem Tablett-Typen zu, als „mh“ zu Dannys lumpigen Kommentaren zu machen.

Dass Ava mit ihnen in der Gruppe saß, hatte ganz sicher nichts zu bedeuten. Oder es war Floyd zuzuschreiben. Danny jedenfalls schenkte sie an diesem Abend nur einen ausgiebigen Blick auf ihren, unter den Pfeifen berühmten Rücken und den Teil ihres Klassehinterns, der nicht mehr in das Sitzpolster passte. Die Diamanten an ihrem Kleid wetteiferten mit der Klinge des Kochs im hinteren Teil des Salons dabei, Danny mit einem scharfen Widerschein endlich für immer zu blenden, was andere vielleicht als ein „tolles Glitzern“ beschrieben hätten. Nicht wahr, Floyd? Dem wären dafür aber sicher nicht Avas so herrliche Wimpern aufgefallen.

„Halt ihn gut fest, den Spatz in der Hand!“, tönte es plötzlich an Dannys linkem Ohr, begleitet von einer Idee Bourbon mit Orange. Es war ein Gentleman, den Danny nur als Frank kannte, ein Freund von William F. Lamb, alter Schwede, der Kerl, der das Empire State Building plant. Danny konnte wirklich keine Kontakte knüpfen, auch dann nicht, wenn man sie ihm vor die Füße warf. „Ja, halt ihn gut fest.“ Und dann packte Frank auch noch auf Dannys Bein, aber nur, um beim Hinsetzen das Gleichgewicht zu halten. Danny sah nicht ein zu fragen, was das sollte, das mit dem Spatz, und das war es dann auch schon mit der Konversation, dem Büro im ESB und mit allem drum und dran.

Thursday, 4 June 2015

KAREEM ABDUL POWELL

So viele Leute hat Powell ja noch nie auf einem Haufen gesehen. Also wenn jemand noch Zweifel gehabt haben sollte, kann er die sich jetzt getrost in den Arsch schieben. Black Moslems! Powells Augen leuchten heller als die Haut von der weißen Fotografenschlampe vor ihm.

Selbst George Lincoln Rockwell ist gekommen, Powell kann’s nicht fassen, so viel größer und hübscher als Hitler. Sitzt da wie ein verzinkter Nagel in seinem Stuhl und hat die Arme verschränkt, als hätte er von seiner Mama gehört, alle Nigger wären schwul und fingen mit dem Touchen gleich an den Nippeln an. Na gute Nacht, der ganze Laden ist voll von Schwarzen. 

Aber statt der Brüder rückt Rockwell nur die Schlampe auf die Pelle. Powell kann sie nicht leiden, hat sie vorher schon mal bei Malcolm gesehen. Dessen Mikro dröhnt heute so laut, dass Powell fast nichts anderes hören kann. Aber das hier schon  er sitzt direkt hinter der Frau, zu der sich der Nazi gerade runter beugt: „Aus dir werde ich Seife machen!“ Und sie: „So lange es kein Lampenschirm ist.“ Aber ihr hört Powell nicht mehr zu. Er ist zu sehr damit beschäftigt, mit seiner Kippe von hinten ein Loch in ihren Pulli zu brennen.

In Erinnerung an Eve Arnold (Magnum).