Am 24. Mai 2008 ist im Umland von Ciudad de
Juarez, in der Wüste von Chihuahua, etwas sehr Merkwürdiges geschehen. Aktivistinnen,
die mit Stöcken nach Gräbern im knochentrockenen Boden stocherten, stießen auf
dem Campo Algodonero auf Susana Pires Monreal, die in ihrem weißen Kittel da
stand, als würde sie auf den Bus zur Maquiladora warten. Die Gruppe musste sich
jetzt erst ein mal sammeln: Susana Pires Monreal war seit fast genau vier Jahren
spurlos verschwunden.
Das Ereignis versetzte das Personal der neuen
Sonderstaatsanwaltschaft für Gewalt gegen Frauen in Ciudad Juarez in helle
Aufregung. Die Helferinnen in der Casa Amiga schlossen auf Anweisung die Läden
an den Fenstern und schalteten die Lampen an, die Susanas Schatten auf die
Madonna am Eingang warfen, als sie sie hereinführten. Niemand sollte von ihrer
Rückkehr erfahren, auch nicht die Polizei. Aber das stellte sich gleich schon
am nächsten Tag als unmöglich heraus, als Mira Fuentes quasi an gleicher Stelle
auftauchte. Ganz plötzlich, so wie Susana. Mira war bereits seit sechseinhalb
Jahren verschwunden gewesen.
Und so kamen immer mehr Frauen zurück, die
man als Opfer des Feminicidio geglaubt hatte. Am Ende waren es acht. Sie waren
einfach plötzlich wieder da. Nur woher sie kamen, war ein Rätsel. Sie redeten
nicht darüber, und wenn Aktivistinnen oder andere versuchten, ihre Rückkehr zu
beobachten, blieb die nächste aus. Susana Pires Monreal war wunderschön. Und
sie war die erste, die von den Zurückgekehrten ein zweites Mal verschwand.
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Diese Geschichte ist natürlich erfunden. Aber
sie gibt die Hilflosigkeit derer wieder, die gegen den Feminicidio kämpfen.
Auch die neue Sonderstaatsanwaltschaft für Gewalt gegen Frauen und das
Frauenhaus Casa Amiga, das oft wütende Männer anlockt, können das Verschwinden
Hunderter junger Frauen nicht verhindern. Notrufe nutzen nichts, die Polizei
bleibt meist fern. Ohnehin ist es ein offenes Geheimnis, dass wenigstens
einzelne Polizisten, vielleicht sogar Politiker mit den Drogenkartellen
gemeinsame Sache machen. Und so werden Frauen zu Hause geschlagen, entführt,
vergewaltigt, ermordet, verscharrt, manche von ihnen enthauptet und
verstümmelt.
Der Name Monreal steht in Erinnerung an
Esmeralda Herrera Monreal, eines der berühmtesten Opfer. Sie ist am 29. Oktober
2001 mit 15 Jahren verschwunden und am 7. November ermordet im Campo Algodonero,
einem Baumwollfeld, aufgefunden worden. Wenig später kamen hier sieben weitere
ermordete Frauen hinzu. Und das in Juarez, wo Jahre zuvor vor allem Frauen in
den Maquiladoras angestellt wurden. Sie galten als zuverlässiger als die
betrunkenen und gewaltbereiten Männer. Juarez war damals Vorbild, hatten damit
doch auch schlechter ausgebildete Frauen die Möglichkeit, das eigene Leben
selbst zu gestalten.
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