Tuesday 29 September 2015

SUSANA PIRES MONREAL

Am 24. Mai 2008 ist im Umland von Ciudad de Juarez, in der Wüste von Chihuahua, etwas sehr Merkwürdiges geschehen. Aktivistinnen, die mit Stöcken nach Gräbern im knochentrockenen Boden stocherten, stießen auf dem Campo Algodonero auf Susana Pires Monreal, die in ihrem weißen Kittel da stand, als würde sie auf den Bus zur Maquiladora warten. Die Gruppe musste sich jetzt erst ein mal sammeln: Susana Pires Monreal war seit fast genau vier Jahren spurlos verschwunden.

Das Ereignis versetzte das Personal der neuen Sonderstaatsanwaltschaft für Gewalt gegen Frauen in Ciudad Juarez in helle Aufregung. Die Helferinnen in der Casa Amiga schlossen auf Anweisung die Läden an den Fenstern und schalteten die Lampen an, die Susanas Schatten auf die Madonna am Eingang warfen, als sie sie hereinführten. Niemand sollte von ihrer Rückkehr erfahren, auch nicht die Polizei. Aber das stellte sich gleich schon am nächsten Tag als unmöglich heraus, als Mira Fuentes quasi an gleicher Stelle auftauchte. Ganz plötzlich, so wie Susana. Mira war bereits seit sechseinhalb Jahren verschwunden gewesen.

Und so kamen immer mehr Frauen zurück, die man als Opfer des Feminicidio geglaubt hatte. Am Ende waren es acht. Sie waren einfach plötzlich wieder da. Nur woher sie kamen, war ein Rätsel. Sie redeten nicht darüber, und wenn Aktivistinnen oder andere versuchten, ihre Rückkehr zu beobachten, blieb die nächste aus. Susana Pires Monreal war wunderschön. Und sie war die erste, die von den Zurückgekehrten ein zweites Mal verschwand.

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Diese Geschichte ist natürlich erfunden. Aber sie gibt die Hilflosigkeit derer wieder, die gegen den Feminicidio kämpfen. Auch die neue Sonderstaatsanwaltschaft für Gewalt gegen Frauen und das Frauenhaus Casa Amiga, das oft wütende Männer anlockt, können das Verschwinden Hunderter junger Frauen nicht verhindern. Notrufe nutzen nichts, die Polizei bleibt meist fern. Ohnehin ist es ein offenes Geheimnis, dass wenigstens einzelne Polizisten, vielleicht sogar Politiker mit den Drogenkartellen gemeinsame Sache machen. Und so werden Frauen zu Hause geschlagen, entführt, vergewaltigt, ermordet, verscharrt, manche von ihnen enthauptet und verstümmelt.

Der Name Monreal steht in Erinnerung an Esmeralda Herrera Monreal, eines der berühmtesten Opfer. Sie ist am 29. Oktober 2001 mit 15 Jahren verschwunden und am 7. November ermordet im Campo Algodonero, einem Baumwollfeld, aufgefunden worden. Wenig später kamen hier sieben weitere ermordete Frauen hinzu. Und das in Juarez, wo Jahre zuvor vor allem Frauen in den Maquiladoras angestellt wurden. Sie galten als zuverlässiger als die betrunkenen und gewaltbereiten Männer. Juarez war damals Vorbild, hatten damit doch auch schlechter ausgebildete Frauen die Möglichkeit, das eigene Leben selbst zu gestalten.

Tuesday 15 September 2015

BESSE BONE

Ist es nicht eigenartig, dass der fette Jim sich jahrelang vor der Polizei verstecken konnte, aber Besse Bone es mit einem einzigen Spaziergang gelang, einem Spaziergang, den selbst Grandpa Pete geschaffte hätte, die wirklich schäbige Bretterbude im Wald irgendwo in Virginia zu finden, ich sag jetzt nicht wo, in der die Destille klapperte, als wäre sie der Zinnmann aus dem Wizard von Oz? Ist es nicht eigenartig? Der Redneck verstand die Welt nicht mehr, als sie plötzlich in der Tür stand und eine Winnie auf ihn richtete, dieses zarte Geschöpf.

Für Besse spielte es keine Rolle, winselt der Scheißkerl um Gnade und bleibt dann am Leben oder macht er auf stur und dann ab in den Sarg. Sie bekam den Abzug nicht zu sich gezogen, das war der einzige Grund, warum es noch nicht knallte. Jim schnappte sich eine Pfanne und schlug sie gegen den Lauf. Wumm, der Schuss ging schnurstracks durch das Dach und jagte draußen irgendwelchen Tieren einen mächtigen Schrecken ein. Aber Besse fing sich und schoss nochmal. Diesmal traf sie den Fettsack genau in die Stirn.

Erst jetzt roch sie, wie ekelhaft es hier in der Hütte stank, genauso wie damals und vor allem aber, nach was wohl, nach Moonshine natürlich. Besse hatte noch große Lust, dem Kerl mit dem Lauf den Schädel einzuschlagen, aber sie riss sich zusammen und hockte sich vor die Einmachgläser, in denen der Schnaps so klar lagerte, als wäre er nur Luft. Aber er hatte das Leuchten einer Reise mit der Zunge am Steuer eines T-Models. Besse wickelte ein Tuch um ein Glas und steckte es ein. Sie wäre gern fort. Sie weiß auch schon wo. Und nur ihre Schwester würde sie finden.

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"Moonshine", so haben Amerikaner ihren illegal gebrannten Schnaps genannt. Er stammte vor allem während der Prohibition in den Zwanziger Jahren aus illegalen Bretterbuden in Virginia und in den Wäldern anderer Bundesstaaten, in denen Rednecks und andere Typen zusammengezimmerte Destillen laufen ließen - oft auch unter den Augen der Polizei, wenn diese denn auf die richtige Seite gezogen war.