Friday 22 April 2011

Flimmertipp: THIS IS ENGLAND (UK 2006)

THIS IS ENGLAND spielt 1983 in einer ungenannten englischen Stadt in der Arbeiterklasse, ist aber zwanzig Jahre später gedreht. Der zwölfjährige Shaun lebt mit seiner Mutter in einem winzigen Reihenhaus. Er ist allein, kommt bei seinen Mitschülern nicht an und muss sich ständig wehren - zum Beispiel, weil er Schlaghosen trägt. Dann trifft er auf Woody und dessen Clique. Und los geht's. Die Reiseführung durch die tristen Bauten der Drehorte Notthingham und Grimbsy übernimmt Regisseur Shane Meadows, der seine Zuschauer an die Hand nimmt, ohne feste zuzupetzen

Das Erfrischende hier ist, dass neben dem üblichen Hergang eines so angesiedelten Films keine weiteren Klischees mehr bedient werden. Die Mutter von Shaun säuft weder noch nörgelt sie ständig rum, sondern ist warmherzig und erlaubt dem Rabauken den Kontakt mit den älteren Skins um Woody, Lol und Milky, dem Jamaicaner, seinen neuen Freunden. Die wiederum sind ja auch keine gemeingefährliche Truppe, sondern ein echter Freundeskreis, bei dem jeder auf seine Weise akzeptiert ist. Skins sind ja nicht mit Neonazis zu verwechseln, sondern eine unpolitische Bewegung, stets schöne Skamusik im Ohr und auf den Lippen.
Erst später taucht Combo samt hässlichen Kumpel auf, frisch aus dem Zuchthaus entlassen. Sie ziehen einige der Jungs und Mädels auf die rechte Seite und machen so aus den Skins Boneheads, wie man die rechten Skins nennt. Leider auch Shaun, der mit seinen zarten Zwölf den harten Worten noch nicht gefeit ist und tatsächlich glaubt, mit "Kanaken"-Sprüchen den Falkland-Tod seines Vaters rächen zu können. Es lohnt sich, nun anzusehen, was Shaun jetzt macht und ob er sich doch noch besinnt.

Die großen Stärken von THIS IS ENGLAND:
1. Der Vorspann mit zeitgeschichtlichen Bilder aus England zu feiner Skamusik von Toots & The Maytals.
2. Der Moment, in dem drei Mädels Shaun die Haare abrasieren.
3. Die Romanze zwischen dem durchweg symphatischen Zwölfjährigen und der 18-jährigen Smell.
4. Die Szene, in der Shaun und seine Mutter Doc Martens einkaufen gehen.
5. Der Soundtrack.

Es gibt übrigens eine Miniserie mit dem Titel THIS IS ENGLAND. Sie spielt drei Jahre nach dem eigentlichen Film mit den gleichen Personen. Soll sehr gut sein. Hält der Handel bereits in Form von zwei DVDs zu je etwa 16 Euro parat. Die DVD zum Film sollte nicht über zehn Euro kosten.

Monday 11 April 2011

Besuch bei der Zollfahndung

So geschehen am Frankfurter Flughafen, eines schönen Samstagmorgens. Ein Gedächtnisprotokoll. Monsieur Alex machte sich gerade auf dem Weg aus der Boing 747, die ihn sicher aus Argentinien zurück nach Deutschland gebracht hat, als ihn ein netter Herr fast ohne Haare aus der Menschenmenge winkt. Vielmehr greift dieser mit der Hand dazwischen und weist Alex raus. Hatte sich da gar ein Bekannter zur Überraschung an den Main aufgemacht? Nein. Monsieur Alex wirft einen Blick auf den verknickten Ausweis. Hätte er aber eigentlich gar nicht gebraucht, der fremde Herr sagte es schon von selbst, ganz unverblümt:
- Zollfahndung. Dürfte ich Sie kurz mal anhalten.
- Ja?
- Ich möchte ihren Reisepass sehen.
Alex kramt ihn aus seiner Tasche und reicht ihn rüber.
- Wie lange waren Sie unten?
- Unten?
- Wo kommen Sie gerade her?
- Aus Argentinien. Äh, drei Wochen.
Der Herr sieht sich die Stempel im hinteren Teil des Passes an und blättert.
- Sie waren aber schon oft dort unten.
- Och, es hält sich in Grenzen.
- Also, wenn ich da an unsereins denke. Dann könnte man ja glatt neidisch werden. Waren Sie beruflich dort?
- Nein.
- Urlaub.
- Urlaub.
- Haben Sie alle ihre Reisen zum Urlaub gemacht?
- Ja.
- Wie schön!
Pause. Der Herr blättert nun langsamer und schaut dabei schon gar nicht mehr auf die Seiten. Sondern auf Alex' Bauch.
- Hatten Sie Kontakt mit Drogen?
- Nein.
- Haben Sie Drogen dabei?
- Nein.
- Dann heiße ich Sie herzlich willkommen.

Alex empfiehlt in diesem Zusammenhang den Film: Maria voll der Gnade (Kolumbien 2005)


Nachtrag - zweite Passkontrolle im Gebäude:
Der Zollbeamte nimmt meinen Pass, schaut kurz rein, klappt ihn wieder zu, dreht ihn in der Hand und sagt:
- Schauen Sie mal, die Welle: Ihr Pass hat sich schon Ihrem Körper angepasst.

Das Lied der Stunde

Gestern noch nicht mal daran gedacht, heute bereits 500 Klicks drauf gemacht - Supervideo. Die Housemartins

http://www.youtube.com/watch?v=fvyhL3eV1vU

Friday 1 April 2011

Ein Mann fuer die Policia

Ich spazierte gerade mit einem flotten Liedchen auf den Lippen an einem imposanten Haeuserblock entlang, als zwei stolze Polizisten auf mich zu kamen und mit vorgehaltenem Ausweis um ein Momentchen baten.
"Si."
   Mein Koerper wars, den die Herren wollten.
"Denn mit so einer Statur und dieser Groesse", sagte der kleinere von beiden, sei mir eine schnelle Karriere bei der Polizei doch durchaus gewiss.
"Und das auch mit meinem schlechten Spanisch?"
   Doch da winkte der Mann schon wieder ab.
"Ach so, nein, das geht natuerlich nicht".
   Sprachs, laechelte troestend und ging mit seinem Kollegen weiter - stolz die Haende am Revers.

Deutschland so fern

Deutschland interessiert in Argentinien kaum jemanden. Das zumindest ergibt sich aus der verschwindent geringen Spuren, die sich im Alltag des suedamerikanischen Landes finden lassen. Die einzige Nachricht aus Deutschland, die es in den vergangenen Wochen in die Presse geschafft hat, war ein Aufmacher auf den hinteren Seiten ueber grosse Demonstrationen gegen die Nutzung von Atomenergie in Berlin, Hamburg, Koeln und Muenchen. Die Wahl in Baden-Wuerttemberg dagegen hat hier keine Aufmerksamkeit gefunden, genauso wenig wie die Qualifikationsspiele der Fussball-Nationalmannschaft von Jogi Loew - ganz im Gegensatz zu den Spielen von Spanien (gegen Lettland) und den Niederlanden (gegen Ungarn), deren Tore manche TV-Nachrichten regelmaessig aufs Neue gezeigt haben. Das einzige Trikot einer deutschen Mannschaft, dass die zahlreichen Fan-Souvenirshops mit internationalem Anspruch in Buenos Aires anbieten, ist das von Borussia Dortmund.
Auch in der Kultur findet Aktuelles aus Deutschland eher kaum Beachtung. In den alternativen Kinos laufen dagegen hauptsaechlich franzoesische und englische Produktionen. Nur der Film "El mundo es grande" nach einer Geschichte von Ilja Trojanow zeigt derzeit das Haus Artecine nahe dem Obelisk. Zu etwas Ruhm hat es immerhin Regisseur Fatih Akin geschafft: Im gleichen Kino erinnert ein riesiges Plakat an seine Komoedie "Soulkitchen" (Cocina de la alma), und im Fach fuer deutsche Filme im sonst sehr gut sortierten Geschaeft Zival`s (Corrientes y Callao) wartet sein "Gegen die Wand" (Contre la pared) zwischen einer Reihe von Romy-Schneider-DVDs und Klassikern wie "M - Eine Stadt sucht einen Moerder" auf einen Kaeufer.
Im Fach Deutsche Musik stehen ungefaehr zehn CDs mit Liedern von Marlene Dietrich, in Deutschland laengst wieder vergessenen Saengern aus der Weimarer Republik, den Comedian Harmonists und Schlagern von Christina Bach. Ein Plattenlanden in einer Passage, der sich auf alternative Musik spezialisiert hat, verkauft T-Shirst mit den Motiven von den Einstuerzenden Neubauten, Can und Kraftwerk (Name und Adresse des Ladens kann ich bei Bedarf weitergeben - ein Geheimtipp, aeussert schoene Band-T-Shirts gibt es hier, die man sonst nirgendwo bekommt).
Kulinarische Spuren aus Deutschland habe ich in Buenos Aires bisher fast keine gefunden. Allein ein Supermarkt, in dem ich war, fuehrt wenige Flaschen Beck`s Exportbier, eine Kneipe wirbt mit Warsteiner. Ansonsten verkaufen sie neben argentinischem Bier (Quilmes) hauptsaechlich Stella Artois aus Belgien. Bemerkenswert ist ein Imbiss, der Wraps beziehungsweise Enchiladas als "europaeisch" anpreist.

Uebrigens: Mich halten die Einheimischen hier meist fuer einen Hollaender. Noch nie hat mich jemand gefragt, ob ich Deutscher sei. Ich fuehle mich seit langem auch zum ersten Mal wieder blond - vielleicht vergleichbar wie ein Schwede bei uns, nicht voellig aus dem Rahmen, aber schon etwas anders im Aussehen.